9.2.06

lieber papa! danke fuer deine liebe mail aus der bibliothek – benni ist nun schon eine woche hier und es ist schoen, dass er da ist und wir gemeinsam einige eindruecke und auch erinnerungen teilen koennen – heute sind wir viel gelaufen durch beeindruckendste landschaft unterhalb machu picchu, wohin wir morgen frueh hinauf klettern werden… bin jetzt sehr muede und hoffe, dass es dir gut geht und euch allen auch!!! liebe gruesse von w.

1.3. 06

lieber papa, mir geht es blendend, keine sorge noetig, kam nur nich oft ins internet, eigentlich gar nicht mehr, seit benni hier war, denn zusammen ist viel geschehen und die frueheren freiminuten und stunden um ins netz zu gehen fielen dann aus. wir hatten eine grossartige zeit gemeinsam, ihm gingen die lichter wieder auf und ich hoffe er kann einiges von der hier gewonnenen energie bis nach berlin und die weiteren wochen und monate mitnehmen die letzten tage waren deer totale whnsinn weil carneval – und was fuer einer, kann man sich nich vorstellen, die ganze stadt dreht durch und schmeisst mit farbe, wasser, chicha (maisbier) und sonstigen alkoholen um sich, dabei trommeln hunderte mannschaften von feiernden um die wette auf dem hauptplatz und zwar die ganze nacht und alle singen tanzen und saufen zu den durcheinanderschwirrenden rhythmen – absolut heftig, eine riesige energiewolke liegt ueber der stadt und laestt einen nicht vor dem morgengrauen nach hause gehen – und am tag dann die bunten umzuege und waegen und allerlei trubel. so siehts aus – jetzt is benni aufgebrochen um nach berlin zurueckzukehren…. ich schreibe ihm, dass er sich bei dir melden moege. lñiebe gruesse wi l l i

11.3.06

Liebe Leute! Wie mein Freund Paul mir schrieb, den ich hier zu zitieren mir erlaube: Ich bin ein schlechter Melder aber ein guter Denker, und ich denke an Euch! (schöne Grüsse Paul!) Irgendwie wollt es mir nicht gelingen, mal einige von den Reiseerlebnissen und -eindrücken in E-Mailform zu gießen. Aber ich mach einen gaaaanz tollen Reiseberichterstattungsabend in Berlin, wenn ich bald wieder da bin. Hab auch viele Fotos und Dias gemacht, die ich euch dann zeigen kann und im direkten Dialog klappt´s dann auf jeden Fall. Hier im Anhang ein Fotochen, um mal wieder anzufangen: es zeigt mich und Zadir, der zu einem sehr guten und wichtigen Freund geworden ist – der Herr mit freiem Oberkörper, der gerade zusammenfassend das Lesen der Kokablätter erklärt, eine uralte andine Tradition. (mal bitte gleich das Foto öffnen, um den Text besser integrieren zu können, wir wollen ja alle was davon haben…) Im Hintergrund sieht man Benni abruhen, denn wir hatten gerade eine rund 20-stündige Busfahrt hinter uns, die uns von Pucallpa, das im Jungelgebiet liegt, wo wir eine Woche zu weissen Shipibos geworden waren, nach Lima gebracht hatte. (Shipibos= indigenes Völkchen, das am mittleren Ucayalifluss in der Region um Pucallpa herum wohnt, und erstaunlicher- und erfreulicherweise noch immer die alte Shipibosprache spricht, neben spanisch…) Der andere Wuschelkopf da im Bild ist Cesar aus Peru (das ist so ein Land in Südamerika, wo manche Berliner Psychologiestudenten Praktikas machen und alte Bräuche kennenlernen). Cesar betreibt mit seiner finnischen Freundin – die das Foto geschossen hat – ein peruanisch/finnisches

Bandprojekt und bringt seiner Tochter Quechua bei (die indigene Andensprache, falls sich jemand bei diesem Wort mit Q gewundert haben sollte). Er hatte sich ein offensichtlich originales Zeremonialdeckchen gekauft – das heisst ungefähr mindestens 500 bis 700 Jahre alt, die wohl manchmal bei Ausgrabungen oder sonstwie gefunden werden – aus der Zeit der Ahnen also, der abuelos (im Bild kaum auszumachen; da wo die Hände und die Kokablätter sind – nur so 15 mal 15 cm gross). Auf diese Deckchen – “mesa”, also Tisch genannt – werden die Kokablätter geworfen und die Konstellationen der verschiedenen Blätter (gross, klein, umgedreht, zerknickt oder unbeschädigt, in bestimmte Richtungen weisend) gedeutet

Ich schaue gebannt zu. Links neben mir sitzt Pachamama – als Bild an der Wand. Nur ihre Hände und ihr Bauch sind zu sehen. Sie webt das Gewebe der Welt, des Daseins. Als wunderschönes Gemälde von Zadir an die Wand gebannt – leider nur in Ausschnitten zu bewundern. Rechts hinten, oberhalb von Benni, zu sehen die Flagge des Tahuantinsuyo, bzw. eine ihrer Erscheinungsformen. Tahuantinsuyo = das Reich der Inkas in erster Linie, sich erstreckend über das Gebiet von heutigem Peru, Bolivien, Ecuador und Teilen Chiles und Kolumbiens. Tiefergreifend und zufolge meiner Leute da, verbirgt sich hinter diesem Begriff jedoch nicht nur diese geo-politische Beschreibung, sondern vielmehr ein viel weiter als die Inkas zurückreichendes, spirituelles Prinzip: Leben im Gleichgewicht mit Pachamama (Mutter Erde), die Unterschiedlichkeit der Menschen und Kulturen ehren und achten und die jeweils besten Früchte und Gaben und Eigenheiten miteinander teilen, sich gegenseitig darbieten. Tahuantinsuyo heisst so viel wie die vier Himmelsrichtungen – (symbolisiert durch das Quadrat). Damit auch meinend, dass die Menschen und Völker aus allen vier Himmelsrichtungen zusammen kommen, sich in der Mitte treffen und mit einander teilen, sich austauschen, voneinander lernen. Dinge, die wir im Grunde alle wollen, von denen wir auch mehr oder minder glauben, dass sie ein gutes Prinzip darstellen; aber viele verlässt der Glauben, wenn es an die Umsetzung geht, bzw. daran zu glauben, dass die Umsetzung möglich ist. Die Kraft des Glaubens, die ich bei meinen Freunden hier wahrnehme, ist besonders, und das hat damit zu tun, dass sie sich auf die Vergangenheit und ihre alte Kultur beziehen – bevor sie von den Europäern zunichte gemacht wurde. In ihrer Wahrnehmung hat dieser wünschenswerte Zustand – das Tahuantinsuyo – damals geherrscht, und es gibt “nichts weiter” zu tun, als sich wieder auf das alte Wissen und Bewusstsein zu besinnen. Dabei aber die Moderne nicht zu negieren, sondern gemäß dem Prinzip des Teilens und Austauschens mit einzubeziehen – das Schlüsselwort heißt Gleichgewicht.

So viel von der nordperuanischen, sonnendurchglühten Küste ins deutsche Winterchaos, von dem ich immer mit einer Mischung von Staunen und Belustigung auf meiner E-Mailstartseite lese… Ich meine, ich würd auch gern ein bisschen Ski fahren, also hebt mir noch n paar Zentner Schnee auf, es hat ja genug davon… Hier noch ein bisschen Links-Propaganda, also Links: www.zerodrama.net – die peruanisch/finnische Band, mit der ich ein Konzert Anfang Januar in Lima gespielt habe – ich will sie jetzt für die Fusion anmelden – drückt mir die Daumen, dass es klappt. www.perumilenariocrea.net- die Seite von Zadir über die alte Kultur und ihre Sprösslinge in jetziger Zeit. Seid lieb gegrüsst – und bis in Kürze in Echt! Euer Willi!

28.3.

liebe digitale gruesse zurueck fuer dit naechste mal im internet aber lieber dann auch bald in echt – am sonntag hats nich geklappt, da warste grad nich da als ich anrief – also liebe gruesse und bis gleich – willi